Das Seniorendomizil Haus Marienthal in Deggendorf hat sich dem renommierten Bündnis des „Werdenfelser Weg“ angeschlossen. Die bundesweit wachsende Initiative setzt sich dafür ein, dass Fixierungen und freiheitsentziehende Maßnahmen von kranken und alten Menschen in Pflegeeinrichtungen zu deren Eigenschutz vermieden werden, wo immer das vertretbar ist. Erstmals trafen sich Kooperationspartner, Herr Lechl, Schuldirektor der Pflegeschule BRK Plattling und weitere Schulvertreter, Kreisrätin Renate Wasmeier mit der Leitung und Mitarbeitern der Einrichtung zum fachlichen Erfahrungsaustausch.
Einrichtungsleiterin Doris Frammelsberger, die auch die Funktion der Verfahrenspflegerin im Haus Marienthal innehat, stellt die noch frischen Erfahrungen mit der Einführung des Konzeptes des Werdenfelser Weges vor. Dieser verfolgt das Ziel, die Entscheidungsprozesse über die Notwendigkeit von freiheitsentziehenden Maßnahmen wie Bauchgurte, Bettgitter, Vorsatztische zu verbessern und Fixierungen in stationären Einrichtungen der Altenpflege auf ein unumgängliches Minimum zu reduzieren. Auch die Medikamentenversorgung der Bewohner kommt regelmäßig auf den Prüfstand. Dämpfende und beruhigende Medikamente wie Psychopharmaka werden halbjährlich geprüft und gegebenenfalls reduziert. Im fachlichen Austausch mit den Hausärzten werden Medikamentenpläne und Verordnungen auch kritisch hinterfragt.
„Mildere“ Schutzmaßnahmen, eine behutsame Medikamentengabe und eine angemessene Kommunikation mit den betroffenen Bewohnern zeigen bereits große Wirksamkeit in der Pflegeeinrichtung. Die Selbstbestimmung und das Wohlbefinden der Bewohner konnten bereits erheblich verbessert werden. „Alle Mitarbeiter im Haus Marienthal sind überzeugt vom Werdenfelser Weg, weil wir bereits in kurzer Zeit positive Veränderungen feststellen. Unsere Bewohner sind zufrieden und ausgeglichen. Die Mitarbeiter sind hoch motiviert diesen Weg mitzugehen“, stellt Doris Frammelsberger zufrieden fest.
Voraussetzung für die Einführung des Werdenfelser Weg ist fachlich qualifiziertes Personal, das regelmäßig geschult und sensibilisiert wird. Die Mitarbeiter im Haus Marienthal nutzen Checklisten und nehmen an Fallbesprechungen teil, um die Schnittstellen in der Pflege zu erkennen und zu optimieren. „Ziel muss immer sein, mildernde Maßnahmen zu ergreifen und die Notwendigkeit von freiheitsentziehenden Maßnahmen zu minimieren. Dabei werden Schutzmaßnahmen für die Betroffenen immer unter dem Aspekt größtmöglicher Freiheit betrachtet. Im Fokus steht immer der Erhalt von Lebensqualität und das persönliche Wohlbefinden der Betroffenen“, erklärt Doris Frammelsberger.
Ein Antrag auf freiheitsentziehende Maßnahmen für einen Bewohner muss vom Einrichtungsleiter unterzeichnet und anschließend vom Verfahrenspfleger geprüft werden. Veraltete Beschlüsse werden regelmäßig geprüft und neu bewertet. Der fachliche Austausch findet sowohl hausintern im Qualitätszirkel als auch mit externen Stellen statt. Diese enge Zusammenarbeit stellt ein Alleinstellungsmerkmal des Hauses Marienthal dar. Eine Kooperation mit dem compassio Haus Gunther in Regen unterstreicht die gemeinsamen Bemühungen, die Pflegequalität kontinuierlich zu verbessern.
Der Werdenfelser Weg ist im Haus Marienthal auch bereits fester Bestandteil der Pflegefachkraft-Ausbildung. „Unsere Auszubildenden können sich durch angewandte Fixierungen in die Lage der Bewohner versetzen, was ihr Verständnis und ihre Sensibilität für diese Thematik fördert“, so Doris Frammelsberger. Auch die kooperierenden Pflegeschulen unterstützen den Ansatz.
Die Einführung und Umsetzung des Werdenfelser Weg ist mit Mehraufwand im Pflegealltag verbunden. Das Mitarbeiter Team im Haus Marienthal steht hinter dem Konzept und nimmt diesen für eine verbesserte Pflege- und Betreuungsqualität der Bewohner gerne in Kauf.
Im Haus Marienthal steht das Wohl der Bewohner im Mittelpunkt. Die tägliche Abstimmung aller Bereiche findet jeden Vormittag in einer Blitz-Besprechungsrunde statt, um die bestmögliche Betreuung sicherzustellen. Wohnbereichsübergreifende Betreuungs- und Aktivierungsangebote wie Sitztanz, Gedächtnistraining, Sturzprophylaxe und kreative Aktivitäten tragen zur geistigen und körperlichen Aktivierung der Bewohner bei. Monatliche Feste, Ausflüge und Besuche von Kindergärten sowie regelmäßige Tierbesuche beleben das Haus und fördern die Gemeinschaft und das soziale Miteinander.
Die Veränderungen im sozialen Miteinander fallen auch Angehörigen und Besuchern positiv auf. Bei ihren regelmäßigen Besuchen im Haus stellt Kreisrätin Renate Wasmeier positive Veränderungen fest: „Es ist zu jeder Zeit viel geboten, die Bewohner sind offen und neugierig, die Umgebung ist stets sauber und gepflegt.“ Die Mitarbeiter im Haus Marienthal stehen mit Überzeugung hinter dem Konzept. Die regelmäßigen Schulungen bringen Sicherheit und Fachlichkeit ins Team und machen zudem große Freude. Das Haus Marienthal beweist, dass durch innovative Ansätze wie den Werdenfelser Weg nicht nur die Lebensqualität der Bewohner gesteigert, sondern auch die Pflegequalität auf ein besseres Niveau gehoben werden kann.
Für compassio-Geschäftsführerin Monika Nirschl ist das Haus Marienthal Vorreiter im Unternehmen: „Freiheitsentziehende Maßnahmen sind immer ein massiver Eingriff in die persönlichen Rechte der betroffenen Menschen. Aus gutem Grunde hat der Gesetzgeber hier hohe rechtliche Hürden vorgesehen, bevor diese zur Anwendung kommen dürfen. Viel wichtiger ist aber, dass unsere Mitarbeitenden bereit und dazu in der Lage sind, Alternativen zu freiheitsbeschränkenden Maßnahmen zu entwickeln. Hier sind die Teams aber vor allem unsere Pflege- und Betreuungskräfte in Ihrer Fachlichkeit gefragt. Der Werdenfelser Weg ist ein guter Ansatz, um in der Praxis verstärkt pflegerische Alternativen anzuwenden und die Mitarbeitenden dabei zu unterstützen. Damit werden die Selbstbestimmung und Wahrung der Würde der Betroffenen gestärkt. Wir sind überzeugt davon und werden unsere Erfahrungen in Deggendorf für die compassio Gruppe weiter nutzbar machen.“